Oberstufenschülerinnen und -schüler der Moritz-Fontaine Gesamtschule erstellen einen digitalen Parcours zu den Stolpersteinen
Das Schicksal der nach Auschwitz deportierten und später umgebrachten jüdischen Familien Rheda-Wiedenbrücks kann man nun auch in einer App erfahren. Der Recherche zugrunde liegen die von Gunter Demnig eigenhändig verlegten Stolpersteine an 10 Orten von insgesamt rund 50 Stolpersteinen in Rheda-Wiedenbrück. Ranana Stauvermann, Lehrerin u. a. für Geschichte an der Moritz-Fontaine-Gesamtschule, hatte die außergewöhnliche Idee, die gelben Messing-Pflastersteine mit den Namen und Lebensdaten der in Auschwitz ermordeten jüdischen Mitbürger zum Thema ihres Projektkurses zu machen. 13 Jungen und Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren setzten sich zum Ziel, innerhalb des vergangenen Schuljahres mehr über den Werdegang und das Schicksal der so gewürdigten Rheda-Wiedenbrücker jüdischen Familien herauszufinden und in einer App zu veröffentlichen. Dies geschah in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv.
Aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen trug die Kursleiterin dort alle benötigten Informationen für die weitere Bearbeitung durch die Schülerinnen und Schüler zusammen. Ein künstlerisch begabter Kursteilnehmer ergänzte die auditive Datei durch gezeichnete Portraits der durch die App ins Bewusstsein gerückten Schicksale. Wer angesichts eines Stolpersteins nun noch mehr über das Schicksal der speziell in Auschwitz getöteten Familien wissen möchte, kann dies nun auf seinem Smartphone über die App Biparcours vor Ort erleben. Die App führt den Nutzer über eine Route von der Moritz-Fontaine Gesamtschule zu den 10 aufgearbeiteten Orten – beginnend mit der Familie Leo – Leon Hofmann an der Oelder Straße 10. An diesen Orten werden dann Informationen über die jeweiligen Familien digital illustriert. Die Gesamtschule veröffentlicht dies in der App Biparcours zum Ende der Sommerferien.
Ursprünglich hatte die Kursleiterin einen Besuch direkt vor Ort im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau geplant. Pandemiebedingt wählte sie als Alternative die Aufarbeitung der hinter den Stolpersteinen stehenden lokalen Schicksale. „Die Tiefe der Recherche und der Akribie, mit der die Schülerinnen und Schüler das Thema lebendig gemacht haben, zeigt eindrucksvoll, dass sich alle von dem ‚Plan B‘ voll begeistern ließen.“, so die Kursleiterin.
Nachdem zunächst einige der Teilnehmenden der mit dem Projektkurs durch das Thema aufgeworfenen Frage „Auschwitz – ein Teil nationaler Identität?“ skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, verkehrten sich deren Stimmen ins Gegenteil, als sie den Schicksalen der nach Auschwitz Deportierten nachspürten: „Ja, Auschwitz ist ein Teil nationaler Identität.“
Die Begeisterung für den Projektkurs hat sich herumgesprochen: Für dasselbe Thema haben sich schon vor den Sommerferien für das kommende Schuljahr 35 Schülerinnen und Schüler angemeldet, die dann von drei Lehrkräften der Moritz-Fontaine Gesamtschule begleitet werden.