Auzug aus „Neue Westfälische“ vom 05.07.2021
Sylvia Peto leitet seit 1. April die Moritz-Fontaine-Gesamtschule mit 1.400 Schülern. Sie spricht über den Reiz von zwei Standorten und über fehlende Ressourcen.
Frau Peto, seit 1. April leiten Sie die Moritz-Fontaine-Gesamtschule (MFG). Sind Sie schon richtig angekommen?
Aufgrund der außerordentlich herausfordernden Situation gibt es sehr viel für mich zu tun. Deshalb bin ich noch nicht richtig angekommen. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird.
Haben Sie es in diesen kontaktarmen Zeiten geschafft, alle Mitglieder des Lehrerkollegiums und auch alle Schülerinnen und Schüler kennenzulernen?
Ich habe mich bemüht, möglichst viele am Schulleben Beteiligte möglichst persönlich kennenzulernen, da mir Austausch und Kommunikation besonders am Herzen liegen. Aufgrund der hohen Anzahl von 156 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 1.400 Schülerinnen und Schülern sowie 2.800 Erziehungsberechtigten nebst diversen externen Kooperationspartnern war das unter Coronabedingungen leider nicht möglich.
Mit welchen Erwartungen oder Fragen wurden Sie von Lehrern und Schülern konfrontiert?
Die Erwartungen gingen hauptsächlich in die Richtung, dass Orientierungspunkte in der derzeitig angespannten und sich ständig ändernden Situation gesucht wurden. Hier war ich bemüht, nach bestem Wissen und Gewissen sowie mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln diesen Erwartungen gerecht zu werden. Selbstverständlich ist es bei der Anzahl der Personen, die Erwartungen an mich stellen, unmöglich, jeden einzelnen individuell zufrieden zu stellen.
Sie nannten die zwei Standorte der MFG eine Besonderheit. Was reizt Sie daran?
Es ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung, zwischen den Standorten zu wechseln. Jeder hat seinen eigenen Charme. Das Interessante daran ist neben der Abwechslung, zu versuchen, die beiden Standorte in einem Gesamtsystem zu verbinden.
Ist das nicht eher eine große Herausforderung, bei der immer das Risiko besteht, dass ein Standort zu kurz kommt?
Ich bin jeden Tag zu möglichst gleichen Zeitanteilen an jedem Standort. Selbstverständlich kann man auf den Gedanken kommen, dass ein Standort zu kurz kommen könnte. Ich denke jedoch, dass, wenn man einen längeren Zeitraum wie zum Beispiel ein Schuljahr betrachtet, ich den Bedürfnissen und Erfordernissen eines jeden Standorts gerecht werden kann.
Was ist speziell in Rheda und was in Wiedenbrück?
Die Standorte unterscheiden sich vom baulichen und räumlichen Konzept. Rheda ist dezentral angelegt. Da es sich um den bautechnisch zu großen Teilen neueren Standort handelt, wurde ein neueres Designkonzept umgesetzt. Der Standort Wiedenbrück hingegen zeichnet sich durch einen zentralen Aufbau aus. Ausstattungstechnisch besteht zwischen den beiden jedoch kein Unterschied.
In der Sitzung des Schulausschusses, in der Sie sich im Mai vorgestellt haben, ging es für Sie gleich in die Vollen. Andreas Hahn, Abgeordneter der Grünen, sagte, dass der Wiedenbrücker Standort der MFG als Ersatz-Hauptschule dequalifiziert werde. Zum einen, weil es dort weniger Anmeldungen gebe, zum anderen, weil ein Drittel der neuen Fünftklässler eine intensive pädagogische Unterstützung bräuchte, ohne dort das Fachpersonal zu haben. Wie sehen Sie das?
Der Redebeitrag fußte wesentlich auf einer eigenen Interpretation des vorliegenden Zahlenwerks. Der Standort Wiedenbrück ist Bestandteil der gesamten Gesamtschule und explizit keine Hauptschule. Auch in Wiedenbrück können alle Abschlüsse der Sekundarstufe I erzielt werden. Der Bedarf einzelner Schülerinnen und Schüler an Förderung ist höchst individuell. Es kann sein, dass sich aufgrund von nicht von der Schule zu beeinflussenden Faktoren eine Häufung an Schülerinnen und Schülern mit besonderem Betreuungsbedarf ergibt. Dieses kann in anderen Schuljahren wieder anders aussehen.
Aber Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Wegen unserer Ausrichtung als Gesamtschule sind wir grundsätzlich theoretisch in der Lage, auch Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf fachgerecht zu unterrichten. Sollten sich mehr mit Unterstützungsbedarf anmelden, benötigen wir als Schule natürlich auch mehr Ressourcen.
Woher sollen die kommen?
Ich möchte das Interview zum Anlass nehmen und an die Politik appellieren, zu prüfen, ob sie unserer Schule dementsprechend mehr Ressourcen bereitstellen kann. Weiterhin haben andere Schulen keine entsprechende pädagogische Infrastruktur zur individuellen Förderung, so dass die Schullandschaft eigentlich froh sein kann, dass wir dafür sorgen, dass diese Schülerinnen und Schüler nicht abgehängt werden. Nur so können umliegende Schulen überhaupt ihren Schulbetrieb in der ihnen gewohnten Art und Weise aufrechterhalten. Deshalb denke ich, dass hierüber auch bei dem von Ihnen angesprochenen Politiker ein Konsens herrscht.
Sie wollen die Schülerinnen und Schüler auf das Lehen nach der MFG gut vorbereiten. Was ist Ihnen besonders wichtig?
Besonders wichtig ist mir persönlich die Ausbildung von technischer, fachlicher und sozialer Kompetenz, damit die Schülerinnen und Schüler die in sie von der Gesellschaft gesteckten Erwartungen erfüllen und übererfüllen können. Zudem sollen sie ein Grundverständnis des Prinzips des lebenslangen Lernens mit auf den Weg bekommen, um flexibel auf Änderungen in ihren vielfältigen Lebenswegen reagieren zu können.
Wie groß ist Ihre Sorge um die Gesundheit und das Befinden von Schülern und Kollegen mit Blick aufs nächste Schuljahr?
Die Stadt Rheda-Wiedenbrück hat sich sehr dafür engagiert, den Lehrkräften schnellstmöglich ein Impfangebot zu machen. Das wurde vom Kollegium sehr gut angenommen. Hierfür möchte ich mich im Namen aller Lehrkräfte ausdrücklich bedanken. Selbstverständlich bin ich besorgt, da auch ich ebenso wenig wie alle anderen in die Zukunft blicken kann und nicht weiß, was uns noch alles erwarten wird.
Also kein Optimismus?
Aufgrund unserer bewährten Hygienekonzepte und professionellen Lehrkräfte blicke ich recht zuversichtlich in die Zukunft. Auch die Schülerinnen und Schüler haben mittlerweile verstanden, dass die Gesundheit aller höher wiegt als Individualinteressen. Auch die Eltern unterstützen die Schule bei der Durchsetzung der entsprechenden Maßnahmen.
Was wünschen Sie sich ab August vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen mit der Corona-Pandemie?
Ich wünsche mir, dass alle gut durch die Sommermonate kommen und alle, die es wollten, einen schönen Urlaub verbringen konnten. Für den startenden Schulbetrieb wünsche ich mir eine möglichst schnelle Rückkehr in den Normalbetrieb, so dass auch wieder Schulveranstaltungen mit einer höheren Teilnehmerzahl möglich werden. In diesem Zusammenhang hoffe ich, dass die Einschulungsfeier mit mehr als einem Elternteil wird stattfinden können, und selbstverständlich wünsche ich mir, dass alle von einer Infektion verschont bleiben werden.
Werden Sie in den großen Ferien verreisen?
Die Hauptarbeitslast liegt zurzeit in der Bewältigung der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie. Das bedeutet natürlich, dass andere Aufgaben verschoben werden müssen. Ich habe vor, diesen Berg in den großen Ferien sukzessive abzuarbeiten. Wegen der Fülle der Aufgaben sehe ich derzeit kein Zeitfenster, um auch verreisen zu können.
Das Gespräch führte Marion Pokorra-Brockschmidt