Von Katharina Werneke – Artikel in „Die Glocke“ vom 12.09.2020
Rheda-Wiedenbrück (gl.) Erstmalig hat die Gesamtschule in Rheda-Wiedenbrück nach den Sommerferien ihre Fünftklässler unter dem neuen Namen Moritz-Fontaine-Schule willkommen heißen können. Über die Entwicklung der vor sieben Jahren gegründeten Schule, Höhen und Tiefen sowie weitere Perspektiven hat sich „Die Glocke“ mit Dominik Heikel unterhalten.
Seit Beginn des vorigen Schuljahrs lenkt er kommissarisch die Geschicke der Bildungseinrichtung. Darüber, wer künftig die Bildungseinrichtung leitet, entscheidet die Bezirksregierung in Detmold. Das Besetzungsverfahren läuft noch.
Die Glocke: Herr Heikel, vor einem Jahr noch ist der Gesamtschule nur mit Ach und Krach gelungen, mit sechs Fünferklassen – vier in Rheda und zwei in Wiedenbrück – ins neue Schuljahr zu starten. Wie sah es jetzt zum Auftakt nach dem Urlaub aus?
Dominik Heikel: Wir haben den Abwärtstrend hoffentlich gestoppt. Statt sechs Klassen mit 130 Kindern im vorigen Jahr sind es jetzt acht mit knapp 190 Kindern geworden. Insgesamt zählt die Moritz-Fontaine-Gesamtschule 1350 Schüler und 120 Kollegen.
Die Glocke: Sehen Sie das als eine längerfristige Trendwende oder Eintagsfliege an?
Dominik Heikel: Ich hoffe, dass das der Anfang einer Trendwende ist. Aber es liegt noch viel Arbeit vor uns.
Die Glocke: Wie ist es Ihnen gelungen, mehr Zuspruch zu erreichen?
Dominik Heikel: Wir haben uns mit allen an der Schule Beteiligten zusammen hingesetzt und gemeinsam überlegt, was wir besser machen wollen. Dabei haben wir gemerkt, dass eigentlich ziemlich vieles gut läuft, aber von uns gar nicht nach außen getragen und kommuniziert wurde. Das System Gesamtschule mit dem Ziel, die Eigenverantwortung des Kindes für sein eigenes Lernen in den Mittelpunkt zu stellen, die vielen Kurse auf verschiedenen Niveaustufen und vieles mehr ist manchmal unübersichtlich und benötigt Erklärung. Das haben wir geändert, indem wir mehr nach außen kommuniziert haben, zum Beispiel über die Presse. Zudem haben wir einen neuen Internetauftritt, der über www.mfg.nrw erreichbar ist.
Die Glocke: Hat die Fassadendiskussion der Einrichtung geschadet?
Dominik Heikel: Diese Diskussion hat schulintern und bi den Gesprächen mit den Eltern zukünftiger Schüler überhaupt keine Rolle gespielt.
Die Glocke: Vor rund einem Jahr sind offiziell die neuen Räumlichkeiten samt so genannter Schulstraße am Standort in Rheda eröffnet worden. Wie wirkt sich der Lernort auf die Arbeit aus?
Dominik Heikel: Lernen fällt in einer schönen Umgebung immer leichter. Dafür sind wir der Stadt sehr dankbar. Bei der Schulstraße sollten Sie sich mal anschauen, was für einen Lernraum der Innenarchitekt aus einem eigentlich langen, langweiligen Flur gemacht hat. Das ist schon spitze.
Fontaines waren Flüchtlinge
Die Glocke: Endlich hat die Schule einen Namen bekommen. Wer konnte Vorschläge einbringen?
Dominik Heikel: Zu einem Neustart gehört auch ein neuer Name. Zudem war der Name Städtische Gesamtschule Rheda-Wiedenbrück immer nur ein Arbeitstitel. Da der Träger darüber entscheidet, wie die jeweilige Schule heißt, wurde ziemlich schnell deutlich, dass er es neben anderen Vorgaben begrüßen würde, wenn der Name einen regionalen Bezug hat. Es wurden 20 Vorschläge aus der Schülerschaft, von Eltern und aus dem Kollegium eingereicht. Diese wurden gesichtet und anhand der vorgegebenen Kriterien gewichtet. Dabei fielen die meisten durch die Vorgabe des regionalen Bezugs raus.
Die Glocke: Was sprach für Moritz Fontaine?
Dominik Heikel: Wie der Name vermuten lässt, hatte die Familie Fontaine ebenso wie so viele Mitbürger heutzutage einen Migrationshintergrund. Als katholische Religionsflüchtlinge sind die Familienmitglieder nach heutigem Kenntnisstand aus dem europäischen Ausland, den Niederlanden, geflohen und haben seinerzeit in Rheda Schutz gefunden. Als Schule mit einem großen Angebot an europäischen Sprachen, wie Englisch, Französisch, Spanisch und Latein sowie als eine Schule, welche die ganze Gesellschaft repräsentiert und dementsprechend auch Schüler mit Migrationshintergrund hat, gibt es eine gewisse Parallele zur Familie Fontaine.
MFG: Miteinander, füreinander und gemeinsam
Die Glocke: Inwieweit kann der Name für alle Schüler identitätsstiftend sein?
Dominik Heikel: Die Gesamtschule hat sich mit dem Fach SOL – Soziales Lernen – einen Schwerpunkt gesetzt. Der Umgang miteinander, das Einstehen füreinander und das gemeinsame Lernen sind das pädagogische Leitziel. Seit 2019 ist die Gesamtschule dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ beigetreten. Mit der Schenkung der Fontaineschen Villa an die Stadt Rheda haben sich Moritz Fontaine und sein Sohn auf einer anderen Ebene ebenso für das soziale Miteinander in der Gesellschaft eingesetzt. Daher steht der Name Moritz-Fontaine-Gesamtschule für das Programm unserer Gesamtschule: das soziale Miteinander leben, mit Courage füreinander einstehen und die Möglichkeit nutzen, im gemeinsamen Lernen den bestmöglichen Schulabschluss aus sich herauszuholen. Und nicht zuletzt ist das Kürzel der Moritz-Fontaine-Gesamtschule einfach schön: MFG- Mit freundlichen Grüßen.
Die Glocke: Wann wird denn der Schriftzug mit dem neuen Namen angebracht?
Dominik Heikel: Wir nehmen uns die Zeit mit einer Gruppe Lehrer, Schüler, Eltern und einer Werbeagentur noch ein Logo zu entwickeln. Bis dahin warten wir mit dem Schriftzug.
Die Glocke: Sicherlich bremst Corona Lernende und Lehrende auf ungeahnte Weise aus. Was bedeutet die Maskenpflicht sowie nun deren Aufhebung, und wie groß ist die Angst vor einem Lockdown?
Dominik Heikel: Es war und ist schön, zu sehen, mit welcher Verantwortung die Jugendlichen die Regeln umgesetzt haben und auch weiterhin umsetzen. Das ist richtig toll. Eine Maskenpflicht auch im Unterricht war nur konsequent zu Ende gedacht nach dem Motto: „Haltet Abstand! Wo das nicht geht, setzt eine Maske auf“. Trotzdem hat vermutlich keiner der Verantwortlichen getestet, wie sich das Tragen einer Maske für acht Stunden am Stück anfühlt. Aber mit dem Tragen einer Maske schützt man in erster Linie nicht sich, sondern vor allem seine Mitmenschen. Daher ist es wünschenswert, wenn alle an der Mit freundlichen Grüßen zum Schutz der anderen auch nach Ende der Maskenpflicht die Maske in den Unterrichtsräumen weitertragen. Wir sprechen uns, auch in Absprache mit anderen Rheda-Wiedenbrück Schulen, also für eine Empfehlung zum Tragen von Masken im Unterricht aus. In Bezug auf einen möglichen Lockdown muss ich sagen, dass aufgrund der Größe der Schule ein Coronafall bei uns nicht unwahrscheinlich ist. Auf jeden Fall haben wir einen Pan B erstellet, für den Fall, dass die Schule geschlossen werden muss. Dann läuft der Stundenplan mit der eigene oder anderen Regeländerung digital und online weiter.
Die Glocke: Wie ist es denn gegenwärtig um das digitale Lernen an der Moritz-Fontaine-Schule bestellt?
Dominik Heikel: Bei der Ausstattung mit Hard- und Software sind wir durch die Stadt Rheda-Wiedenbrück sehr gut aufgestellt. Die flächendeckende Ausstattung mit WLAN neigt sich endlich dem Ende entgegen. Aber man merkt, dass der Teufel im Detail steckt oder der Datenschutz manche gute Ideen ausbremst. Und der Stress-test, das heißt ein Schullockdown, steht noch aus.
Sportleistungskurse stadtweit einmalig
Die Glocke: Was halten Sie von Vorwürfen, dass die Schulen die Ferienzeit nicht ausreichend genutzt hätten, um sich vorzubereiten?
Dominik Heikel: Hinterher weiß man immer besser, was man vorher hätte anders machen können. Die Vorgaben aus dem NRW-Bildungsministerium kamen erst zwei Wochen vor Schulstart. Die Vorbereitungszeit war knapp, aber wir haben versucht, das Beste für die Kinder und die in der Schule Arbeitenden daraus zu machen. Auch wir wissen, was wir beim nächsten Mal noch besser machen müssen.
Die Glocke: Hatten Sie persönlich dennoch Zeit, auszuspannen?
Dominik Heikel: Ich hatte die Gelegenheit, zwei Wochen Urlaub zu machen.
Die Glocke: Die Schule ist nun so weit herangewachsen, dass Schüler die gymnasiale Oberstufe besuchen und auf ihr Abitur hinarbeiten können. Ist sie in der Lage, attraktive Prüffächer anzubieten?
Dominik Heikel: Wir sind voriges Jahr mit 85 Schülern in die Einführungsphase gestartet, dieses Jahr sogar mit 100. Wir haben damit eine gute Größe für ein vielfältiges Angebot. Unsere Besonderheiten sind der Sportleistungskurs, den wir stadtweit als einzige Schule anbieten, und das Fach Ernährungslehre, das als ergänzendes naturwissenschaftliches Fach gewählt werden kann. Die Sportfachschaft hat für den Antrag 400 Seiten Lehrplan eingereicht. Wir sind jetzt mit zwei Leistungskursen gestartet. Demnächst soll eine in Rheda-Wiedenbrück bisher noch nicht vertretene Fremdsprache als neueinsetzend in der Oberstufe dazukommen. Mehr verrate ich aber noch nicht. Darüber hinaus kooperieren wir seit diesem Schuljahr auch erfolgreich mit dem Ratsgymnasium im Bereich weiterer Leistungs- und Projektkurse zusammen.
Die Glocke: Welche Aufgaben sehen Sie mit Blick auf die Zukunft als besonders dringlich an?
Dominik Heikel: Kinder und Jugendliche müssen von der Schule fit gemacht werden für das Leben und Lernen im Morgen. Daher sollten wir verstärkt den Blick nach vorne werfen und versuchen, die Zukunft zu gestalten.Es mag der eine oder andere fachliche Inhalt auf der Strecke bleiben, weil neue digitale Kompetenzen dazu kommen müssen. Aber das soziale Miteinander, Füreinander und die Gemeinschaft bleiben elementar wichtig, um als Gesellschaft zusammenzuhalten, und sollten daher unvermindert im Vordergrund stehen.