Von Jürgen Rollié – Artikel in “Die Glocke” vom 09. November, 2020
Rheda-Wiedenbrück (rol) – Gleich 34 Abianwärter haben an der Rheda-Wiedenbrücker Moritz-Fontaine-Gesamtschule die Startblöcke verlassen und benötigen nun einen langen Atem, um das Fernziel Abitur zu erreichen. Die vorerst wichtigste Hürde ist allerdings schon genommen.
Die Genehmigung der Bezirksregierung für einen Sportleistungskurs ist erteilt worden. Es ist ein erstaunliches Novum für Rheda-Wiedenbrück und die ganze Region. „Das erweitert unser Portfolio“, sagt Sportlehrer Christoph Großbröhmer stolz. Er hat mit seiner Kollegin Mareike Tonwald federführend die zugrundeliegende Idee in die Tat umgesetzt.
Mehrere hundert Seiten für die Antragstellung
Mehrere 100 Seiten mit den notwendigen Details zu ihrem Vorhaben hatten die beiden 31-Jährigen ausgefertigt und der zuständigen Behörde vorgelegt. Für dieses Dokument waren Informationen zu den Sportunterrichtsinhalten ab Klasse fünf gefordert. Eine Mammutaufgabe für die Pädagogen. Rechtzeitig vor dem laufenden Schuljahr kam das Okay aus Detmold – zur Freude nicht nur der 20-köpfigen Fachschaft Sport.
Aufgrund der großen Resonanz entstanden gleich zwei gemischte Leistungskurse mit jeweils 17 Lernenden. Dahingehende Gedankenspiele gab es bereits seit der Gründung der Bildungseinrichtung im Jahr 2013. Konkrete Züge bekam das ehrgeizige Projekt 2018. Das Anforderungsprofil des Schwerpunktfachs Sport ist anspruchsvoll.
Theorie und Praxis gleichgewichtet
Pauken die Mathe-Asse daheim Wahrscheinlichkeits- und Integralrechnung, umfasst der Hausaufgabenplan der Bewegungstalente Fünftausendmeterläufe, 800-Meter-Schwimmeinheiten, einen Leichtathletikmehrkampf mit 100-Meter-Sprint, eine Wurfdisziplin sowie Weit- oder Hochsprung. Teamfähigkeit ist beim Basketball gemäß deutschen Regeln gefragt. Trotz der intensiven Vorbereitung – diese umfasst auch die auf den gleichgewichteten Theorieanteil – wird sich vor der vierstündigen Abschlussklausur Lampenfieber einstellen. Die Abiprüfungspremiere „wird im Jahr 2022 sein“, sagt Mareike Tonwald.
Möchte sich eine Schülerin mit einer 1+ für eine Unilaufbahn empfehlen, muss sie die fünf Kilometer in höchstens 25:15 Minuten bewältigen, ihr männliches Pendant benötigt für die gleichbedeutenden 15 Punkte eine 21:15. 800 Meter Schwimmen gilt es, im Optimalfall mit 13:50 beziehungsweise 12:50 Minuten zu meistern. Das sind objektive Kriterien, die Stoppuhr ist unbestechlich.
Extraeinheiten nach dem Unterricht
Wer auf Nummer sicher gehen will, der opfert auch ein bisschen Freizeit. „Einige Schüler treffen sich außerhalb des Unterrichts und laufen gemeinsam“, berichtet Mareike Tonwald. Das Gelernte will vertieft sein. Wie in anderen Fächern auch, sind für die Heranwachsenden zwei Klausuren pro Halbjahr obligatorisch, in deren Rahmen die erworbenen Theoriekenntnisse möglichst fehlerfrei zu Papier gebracht werden sollten.
Das Thema Sportphysiologie sei besonders beliebt, verraten Mareike Tonwald und Christoph Großbröhmer mit einem schelmischen Grinsen. Wer Bewegungsabläufe verstehen und in der Praxis perfektionieren möchte, kommt halt nicht darum herum, sich mit dem komplexen Zusammenspiel der Muskeln zu befassen.
Kurzstrecke von der Theorie zum Selbstversuch
Dass man theoretische Erkenntnisse umgehend am „lebenden Objekt“ überprüfen kann – in der schmucken neuen Dreifachhalle, auf den modernen Außensportanlagen im Schatten der Gesamtschule in Rheda oder an der Burg in Wiedenbrück –, ist eine Besonderheit. Beim Vergleich mit allen anderen Fächern sind solche Selbstversuche ein Alleinstellungsmerkmal. Ein Reiz, der beispielsweise für eine Schülerin aus Schloß Holte so verlockend war, dass sie den weiten Weg zur Schule in Rheda und zurück gerne in Kauf nimmt.
Das freut die Lehrer Mareike Tonwald und Christoph Großbröhmer ebenso wie den kommissarischen Schulleiter Dominik Heikel. Nachahmer auch aus der näheren Umgebung sind herzlich willkommen. „Außerdem hat mir eine Schülerin dieser Kurse erzählt, dass sie irgendwann als Sportlehrerin zu unserer Schule zurückkommen möchte“, fügt Heikel hinzu. Ein Gedanke, der ihm sichtlich gefällt. Er sitzt in der Halle auf der Bank und verfolgt den Unterricht mit großem Interesse. Heikel zieht den Hut vor Mareike Tonwalds und Christoph Großbröhmers Engagement. Beide geben den 34 Fuß-, Hand- und Basketballern, den Leichtathleten und Schwimmern das nötige Rüstzeug mit für die Langstrecke zur Hochschulreife.